Der Mensch ist zum Gehen geschaffen. Kein Wunder, dass unser Körper auf natürliches, leichtes Gehen unglaublich positiv reagiert.
Wenn wir in einem Film, wie WALL-E darüber lachen, dass die Menschen in der Zukunft nicht mehr aufstehen und gehen können, übersehen wir, dass Gehen in unserem heutigen modernen Leben fast schon überflüssig geworden ist. Wenn Gehen heute schon nurmehr eine Option ist, könnte es in der Zukunft nichts als eine Randerscheinung oder eine Erinnerung an vergangene Zeiten sein. […] Wir haben ein angeborenes Bewegungsgedächtnis, das wiedererweckt werden möchte
Erwan Le Corre – Natural Movement
Gehen wird meines Erachtens von vielen Menschen stark unterschätzt.
Gehen ist für den Menschen viel mehr als nur das Erreichen eines Zieles. Evolutionär hat sich das Umherstreifen über weite Strecken bei der Nahrungssuche in der Steppe durchgesetzt. Jäger und Sammler folgten den Tierherden auf ihren Wanderungen und suchten in ihrem jeweiligen Gebiet nach Beeren, Nüssen, essbaren Pflanzen und Wurzeln. Nicht selten wurden an einem Tag zwanzig Kilometer und mehr zurückgelegt. Dazu kamen ausreichend Schlaf und Rast, Haltbarmachen und Nahrungszubereitung, Werkzeugherstellung und vieles mehr.
Wenn man heute die Menschen in den Fußgängerzonen gehen sieht, kann man diese Ursprünge des Gehens kaum glauben. Oft ist das Gehen mehr ein Fallen, das Fußgewölbe ist eingefallen und die Füße sind nach außen gedreht, um irgendwie vorwärts zu kommen. Die Füße schmerzen aufgrund von Fehlstellungen wie der Hammerzehe (Hallux valgus). Die Füße werden in Schuhe gezwängt, die meist nach modischen Gesichtspunkten entworfen wurden. Wenn die Schuhe endlich ausgezogen werden können, ist der Besitzer glücklich.
Gehen ist eine leichte und mühelose Bewegung. Wenn sie natürlichen Mustern folgt.
Unterstützt durch eine ruhige Nasenatmung wird natürliches, sanftes Gehen zum richtigen Ganzkörpertraining. Gehen ist ideal, um z.B. nach einem grippalen Infekt sanft wieder in Bewegung zu kommen und eine wunderbar einfache Möglichkeit, unserem Körper und unserer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Kontinuierliches Gehen ist eine Ganzkörper- und Bewegungskettenbewegung und fühlt sich mühelos an. Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-System werden aktiviert. Gehen kann zu einem echten Training werden. Langsames oder schnelles Gehen, leichtes Gelände oder schwierige Strecken beanspruchen den Körper unterschiedlich.
Beim Gehen oder anderen gleichmäßigen Bewegungen kommt man oft in einen Zustand, in dem die Gedanken in den Hintergrund treten, während man die Landschaft genießt und im Hier und Jetzt oder in der Ferne verweilt. Man befindet sich dann in einer Art Meditation und nimmt vom Weg eigentlich nichts mehr wahr. Du läufst auf Autopilot, konzentrierst dich aber auch nicht wirklich auf die Gedanken, die springen und rasen können. Dein Gehirn sortiert, vergleicht, ordnet usw., ohne dass Du aktiv eingreifst. Sicher hast Du auch schon erlebt, dass Dir bei einem langen Spaziergang ein Geistesblitz kam oder ein vorher großes Problem plötzlich kleiner wurde oder sogar gelöst war.
Wenn Du dann noch in einer Umgebung spazieren gehst, die Dir gefällt und in der Du Dich wohlfühlst – ideal sind Wald und Wiese – wird der Spaziergang zu einem wunderbaren Element, um Stress abzubauen und Deine Resilienz und Gesundheit zu stärken.
Einfach abschalten
Für die sogenannte Psychohygiene und hier vor allem für das Abschalten nach der Arbeit ist es generell von Vorteil, zu Fuß zu gehen. Statt sich in die überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel zu setzen, sich vielleicht auch noch über die Verspätung und die vielen Menschen zu ärgern, einfach ein paar Stationen zu Fuß gehen oder früher aussteigen. Ein Stück am Wasser entlang oder durch einen Park. Vielleicht bist Du mutig genug, die Schuhe auszuziehen. Jetzt, nach dem langen Sitzen des Arbeitstages, darfst Du Deinen Körper sanft in Bewegung bringen und Dein Gehirn sortieren lassen …
Use it or loose it
Viele Schmerzen haben ihren Ursprung in den Füßen. Diese können sich dann über Faszien und Muskelketten in den ganzen Körper ausbreiten. Bei Schmerzen in Knien, Hüften und im unteren Rücken lohnt sich immer ein Blick auf die Füße. Die meisten Schuhe schaden dem Körper, denn ihre Sohlen sind so gedämpft, dass die Sensibilität der Füße verloren geht. Durch die sogenannte Sprengung (eine Art Keil – die Ferse ist höher als der Ballen) oder Absätze laufen wir ständig auf einer schiefen Ebene, die der Körper durch Fehlstellungen ausgleichen muss. Die Zehenbox ist zu eng, sodass der große und der kleine Zeh an die anderen Zehen gedrückt werden. Ein Fußbett soll das Fußgewölbe stützen, die hochgezogene Fußsohle im Zehenbereich das Abrollen erleichtern. Die Folge der ganzen Orthesen und modeischen Schnitte sind eingefallene Fußgewölbe, Hammerzehen, Entengang uvm.
Einen tollen und ganz aktuellen Artikel u.a. vom Evolutionsbiologen und Barefootrunner Daniel E. Lieberman habe ich Dir hier verlinkt: Effect of the upward curvature of toe springs on walking biomechanics in humans.