Social Distancing? Physical Distancing!

social distancing
In Kontakt bleiben trotz „Social Distancing“

Die Infektionen steigen und nun fallen sie wieder in beachtlicher Regelmäßigkeit – die Begriffe Lockdown, Kontaktbeschränkung und Social Distancing. (Update 28.10.: soeben kommt die Meldung des Lockdown in vielen Bereichen für den November)

Ich persönlich finde vor allem den Begriff des Social Distancing fatal, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, da er suggeriert, dass wir unsere Sozialkontakte einstellen sollen. Damit bekommt das Miteinander auf allen Ebenen etwas Verbotenes. Wir Menschen sind aber soziale Wesen. Gemeint ist mit dem Begriff aber vor allem eine physische Kontaktreduzierung – was häufig schwer genug ist.

Ein iPad ersetzt die Umarmung nicht, aber…

Zum Glück leben wir nicht mehr in der Zeit der Billignummern und des Faxes, wenn es mal schnell gehen sollte. Fast überall haben wir Internet. Wir können uns sehen. Skype, Google Hangouts, FaceTime, Zoom usw. Es ist nicht schwer in Kontakt zu bleiben. Und es ist schön und wichtig nicht nur die Stimme, sondern das Gesicht eines vertrauten oder geliebtes Menschen zu sehen. Natürlich kann man sich nicht umarmen, aber es ist bedeutend die Gestik und Mimik zu sehen.

Soziale Nähe mit physischer Distanz

Uns trennt die räumliche Distanz. Wir müssen aber nicht auf die Nähe verzichten, nur auf körperliche Intimität. Klar ist es etwas anderes, direkt beieinander zu sein. Doch mit den heutigen Möglichkeiten des Video-Calls ist es aber mehr als nichts. Für meine Kinder ist es völlig normal ihre Großeltern überwiegend per Skype zu sehen, da sie auf den Kanarischen Inseln und in Rheinland-Pfalz leben. Tatsächlich ergab sich im ersten Lockdown eine Nähe, die wir in „normalen“ Zeiten fast nie hinbekommen. Meine Mutter hat jeden Tag mit allen fünf Enkeln gebastelt und vorgelesen.

Ich selbst habe jahrelang in Remote-Teams gearbeitet. Wenn jeder gerade alleine im Büro war, haben wir das Video angemacht um einfach „beieinander“ zu arbeiten, dabei zu flachsen und uns kurz abzustimmen.

Auch mir macht es mehr Spaß, Seminare und Trainings mit den Vibes der Präsenz zu geben, aber dank Online-Meetings kann ich im Falle eines Lockdowns oder weitreichenderer Kontaktbeschränkungen überhaupt etwas anbieten und dabei sogar noch meinen Radius erweitern.

Wir brauchen Akzeptanz und Souveränität

Wir müssen uns vielleicht eine andere Souveränität im Umgang mit den Medien antrainieren. Anstatt darüber zu klagen, was alles nicht geht, das Augenmerk darauf richten, was alles geht und wie es umgesetzt werden kann. Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass die Pandemie nicht in zwei bis vier Wochen vorbei sein wird. Da gilt es vielleicht auch in die eigene Infrastruktur zu investieren um weiterhin am sozialen Leben, Sport, Kultur, Fortbildungen etc. teilnehmen zu können.

Andere Instanzen müssen sicherlich ebenfalls flexibler werden, anstatt den Kontakt noch einmal völlig abreißen zu lassen. Der Morgenkreis oder die Vorlesestunde im Kindergarten kann z.B. per Zoom gestreamt werden. Was in einigen Berliner Kindergärten völlig normal war, wurde hier in Uelzen seitens des Trägers damit abgetan, dass nicht alle Kinder erreicht werden können. Das wird leider immer der Fall sein und ist mir als Argument zu bequem.

Lösungsorientiert in Möglichkeiten denken

Vielleicht ist es zukünftig denkbar, dass Oma oder Opa im Pflegeheim ein Tablet bekommen. Die Bedienung ist ja meistens super einfach und möglicherweise gibt es sogar die Chance, Senioren-Alltagsbegleiter, die ihren Job im Lockdown nicht ausführen können, technisch zu schulen und als Unterstützer für die Ermöglichung der sozialen Nähe zu beschäftigen.

Die Familie zu Weihnachten kann trotzdem beisammen sein – eben in 2D. Streit und Sticheleien inklusive. Der Vorteil – wenn es zu bunt wird, kann man sich einfach abmelden.

Lasst uns kreativ werden und sozial zusammenrücken, während wir physische Distanz halten.

Im Rahmen der Solidarität und als Anbieter auch die Bitte – nutzt die Möglichkeiten der Online-Angebote oder anderer kreativer Lösungen, damit die Welt nach Lockdowns und Pandemie nicht nur noch aus großen Ketten ohne jede Individualität besteht.